3. Juli 2025

WHO verabschiedet Strategie für Traditionelle und komplementäre Medizin (TCIM) 2025–2034

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat auf ihrer 77. Weltgesundheitsversammlung am 26. Mai 2025 die neue Strategie für traditionelle, komplementäre und integrative Medizin (TCIM) 2025–2034 verabschiedet. Ziel ist es, die TCIM weltweit möglichst evidenzbasiert, sicher und reguliert in Gesundheitssysteme zu integrieren – zum Wohle aller. Die Strategie setzt den Rahmen für die Aktivitäten der Mitgliedsstaaten für die nächsten zehn Jahre, ist allerdings für die Staaten nicht bindend.

© butenkow - AdobeStock.com
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Mehr als 80 % der Weltbevölkerung in über 170 der 194 WHO-Mitgliedstaaten nutzen irgendeine Form traditioneller Medizin [1]. In einigen Industrieländern wie Frankreich und Kanada liegt die Nutzungsrate bei fast der Hälfte der Bevölkerung [2]. Zudem basieren etwa 40 % der pharmazeutischen Produkte auf Naturerzeugnissen und traditionellem Wissen, darunter bahnbrechende Medikamente wie Aspirin, Artemisinin und Medikamente zur Behandlung von Krebserkrankungen bei Kindern. Bei näherer Betrachtung dieser Medikamente wird deutlich, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sie entwickelt haben, auf traditionellem Wissen aufbauten, um ihre bahnbrechenden Entdeckungen zu erzielen [3]. Der Schritt der WHO spiegelt somit die Anerkennung eines wichtigen Zweigs der Medizin und würdigt zudem die bedeutenden Beiträge indigener Kulturen zur Medizin.

Kurswechsel der WHO

Die neue globale Strategie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2025–2034 zur Traditionellen Medizin, bekannt als TCIM (Traditionelle, Komplementäre und Integrative Medizin), wird als bedeutender Kurswechsel angesehen. Diese zehnjährige Strategie, die aus einem umfassenden Vorschlagspapier resultiert, zielt darauf ab, die Traditionelle Medizin in nationale Gesundheitssysteme zu integrieren. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen, die sich vornehmlich kulturellen Aspekten widmeten und den Begriff der Alternativmedizin verwendeten, fokussiert sich die TCIM-Strategie auf evidenzbasierte Verfahren, um die Vertrauenswürdigkeit dieser Methoden zu erhöhen.

Der Strategietext [4] zeigt, welchen Balanceakt die WHO hier vollführt, indem sie einerseits die Praktiken befürwortet, die „über Generationen hinweg weitergegebene Erkenntnisse und Heilmethoden“ darstellen, gleichzeitig aber verlangt, dass diese den modernen wissenschaftlichen Standards entsprechen, deren Erfüllung oftmals Jahrzehnte dauern könnte. Der Verabschiedung der Strategie waren dementsprechend intensive Diskussionen vorausgegangen. Insbesondere Mitglieder der Europäischen Union (EU) äußerten Bedenken hinsichtlich Qualität und Sicherheit. Sie fürchten, dass als alternative Medizin getarnte schädliche und/oder ineffiziente Praktiken sich durchsetzen könnten.

Ausgangspunkt und Hürden

Ein Schlüsselgedanke der TCIM-Strategie ist der wirtschaftliche Ausgangspunkt, der im Kontext des One-Health-Ansatzes eine Erweiterung bestehender Gesundheitssysteme anstrebt. Dies erfordert jedoch erhebliche Investitionen in Forschung, Ausbildung, Dokumentation und digitale Gesundheitsdaten, was für finanziell angeschlagene nationale Gesundheitssysteme eine große Herausforderung darstellt. Das wirft die Frage auf, wer in den Mitgliedsstaaten die Finanzierung der Umsetzung dieser Strategie tragen soll. Knappe Forschungskapazitäten dürften ebenfalls ein Problem darstellen, ebenso wie die Frage, wie final globale Standards festgelegt werden sollen.

Die Strategie hebt die Bedeutung einer Zusammenarbeit aller evidenzbasierten Gesundheitsberufe in einem patientenorientierten Ansatz hervor. Diese Fokussierung auf Evidenz könnte jedoch dazu führen, dass weniger profitabel eingeschätzte oder nicht evidenzbasierte Heilmethoden aus dem Gesundheitssystem gedrängt werden.

Ein wesentlicher Bestandteil der neuen Strategie ist die Einbeziehung indigener Heiltraditionen, was jedoch möglicherweise nicht in allen kulturellen Kontexten, insbesondere in Europa, anwendbar ist. Eine respektvolle Vermischung von traditioneller und moderner Medizin ist unerlässlich, um den vielfältigen Ansätzen in der Gesundheitsversorgung gerecht zu werden.

WHO-Strategie könnte ein Wendepunkt sein

Mit dieser Strategie erkennt die WHO nicht nur den Wert traditioneller Heilmethoden an, sondern auch ihre Rolle in der zukünftigen Gestaltung globaler Gesundheit. Die neue WHO-Strategie könnte somit einen Wendepunkt im Gesundheitssystem darstellen, muss jedoch viele Herausforderungen und offene Fragen klären. So bleibt die Frage, ob die TCIM-Strategie den Patientinnen und Patienten tatsächlich zugutekommt, unter anderem stark von politischen Entscheidungen, finanziellen Ressourcen und Forschungskapazitäten in den Mitgliedsstaaten abhängig. Außerdem besteht die Herausforderung für die TCIM-Strategie, die Balance zwischen evidenzbasierter Medizin und den individuellen Aspekten der komplementärmedizinischen Heilweisen zu finden, um so den Patienten oder die Patientin in den Mittelpunkt zu stellen.

Quellen

  1. https://www.who.int/southeastasia/news/feature-stories/detail/integrating-traditional-medicine
  2. https://www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/traditional-medicine
  3. https://www.who.int/news-room/feature-stories/detail/traditional-medicine-has-a-long-history-of-contributing-to-conventional-medicine-and-continues-to-hold-promise
  4. https://apps.who.int/gb/ebwha/pdf_files/WHA78/A78_4Add1-en.pdf
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