Der renommierte Gesundheitsrechtler Professor Helge Sodan kommt in einem Rechtsgutachten zu den rechtlichen Grenzen der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens zum dem Ergebnis: Eine Reform des Heilpraktikerwesens wäre sinnvoll, weil sie für alle Beteiligten mehr Rechtsicherheit bieten kann. Die Abschaffung des Berufs wäre dahingegen verfassungswidrig.
Der Bund Deutscher Heilpraktiker e.V. (BDH) hatte - mit freundlicher finanzieller Unterstützung des „Verband Unabhängiger Heilpraktiker e.V“ sowie des „Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e.V.“ - den renommierten Rechtswissenschaftler und Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht und Sozialrecht sowie Vorstandsvorsitzender und Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht, Professor Dr. jur. Helge Sodan, mit dem Rechtsgutachten beauftragt. Er sollte darin einige vom Bundesgesundheitsministerium aufgeworfene Fragestellungen gutachterlich prüfen. Dazu zählen Fragen wie: Welchen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber im Fall einer Reform des Heilpraktikerrechts zur Stärkung der Patientensicherheit? Kann der Heilpraktikerberuf als „Heilberuf“ nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz geregelt werden? Wie könnte eine einheitliche Heilpraktikerausbildung gestaltet werden? Kann der Heilpraktikerberuf abgeschafft werden?
Professor Sodan führt in seinem Gutachten aus, dass im Vergleich zu anderen Heilberufen die rechtlichen Grundlagen des Berufsstandes der Heilpraktiker qualitativ wie auch quantitativ sehr begrenzt seien. Daher könne eine Reform des Berufs und ein klar umrissenes Berufsrecht Sicherheit für den Berufsstand vermitteln. Bei einer Neu- oder Umgestaltung müsse die Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern berücksichtigt werden. Der Bund habe zwar die Möglichkeit, Fragen der Zulassung zu einem Heilberuf zu regeln, die Ausgestaltung der Berufsausübungsmodalitäten bleibe demgegenüber den Ländern vorbehalten.
Nach Einschätzung von Professor Sodan hätte eine mögliche Abschaffung des Berufs einen schweren Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit zu Lasten der bereits tätigen Heilpraktiker zur Folge. Ein vollständiger Wegfall des Heilpraktikerberufs für die Zukunft wäre ferner ein tiefer Einschnitt in die Berufswahlfreiheit möglicher Anwärter oder solcher Personen, die sich derzeit in einer Berufsausbildung mit dem Ziel des baldigen Berufseintritts befinden.
Zur Rechtfertigung objektiver Zulassungsbeschränkungen bedürfe es nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut. Als ein solcher Gemeinwohlbelang käme hier der Schutz der Gesundheit der Patienten in Betracht. Für die Annahme generell erhöhter Gesundheitsrisiken durch Heilpraktiker-Behandlungen bestehe objektiv kein Anlass. Jedenfalls dürften sich die Behandlungsrisiken nicht wesentlich von denen im ärztlichen oder zahnärztlichen Bereich unterscheiden. Von nachweisbaren oder höchstwahrscheinlichen schweren Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut könne bei der Ausübung von Heilkunde durch Heilpraktiker nicht ausgegangen werden. Demnach wäre schon ein hinreichender legitimer Zweck für die vollständige Beseitigung des Berufs des Heilpraktikers nicht gegeben.
Die hiermit verbundenen Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit wären im Übrigen weder erforderlich noch angemessen. Mit dem Aufbau einheitlicher Mindeststandards an die Ausbildungsverläufe für angehende Heilpraktiker könnte das Vertrauen in die Integrität und fachliche Qualifikation der Heilpraktiker gestärkt werden. Eine Beseitigung des Heilpraktikerberufs würde etwa 47.000 Heilpraktikern und damit einer wirtschaftlich bedeutenden Berufsgruppe in unzumutbarer Weise die Grundlage ihres Erwerbs nehmen. Demnach wäre ein vollständiger Entfall des Heilpraktikerberufs nicht verhältnismäßig und verstieße deshalb gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit. Entsprechende Reformvorhaben wären somit verfassungswidrig.
Eine Reform des Heilpraktikerwesens mit einem klar umrissenen Berufsrecht könne laut Professor Sodan Sicherheit bieten und sollte deshalb durchaus erwogen werden. Dafür kämen verschiedene Ansätze in Betracht, die von bloßen organisatorischen Umgestaltungen bis hin zu grundlegenden Veränderungen der rechtlichen Grundlagen des Heilpraktikerwesens reichen können. Es empfehle sich die Wahl von Reformansätzen, die zugleich der freien Berufsausübung der Heilpraktiker und der Patientensicherheit gerecht werden. So käme eine Verkammerung der Heilpraktiker aber auch eine organisatorische Strukturierung und Harmonisierung der Ausbildungsinhalte in Frage. Der Bund wäre hinsichtlich der Ausbildung für die Regelungen grober Leitlinien und insbesondere von Mindestinhalten der Berufsausbildung zuständig. Die Klärung der Ausbildungsstrukturen auf der Detailebene wäre Ländersache.
Helge Sodan/Bernhard Hadank: Rechtliche Grenzen der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens. In: Helge Sodan (Hrsg.): Schriften zum Gesundheitsrecht, Band 59, Berlin: Duncker & Humblot; 2020.