Redaktion: Herr Barrmeyer, Sie sind Apotheker und Inhaber von zwei Apotheken. Wie kam es dazu, dass Sie dann noch eine Zusatzausbildung „Naturheilverfahren und Homöopathie“ gemacht haben?
Barrmeyer: Ich habe bereits als Kind positive Erfahrungen mit Homöopathie gemacht. Deswegen hat mich das Thema auch immer schon interessiert. Ein Hauptgrund ist aber die in den vergangenen Jahren verstärkte Nachfrage meiner Kunden an Medikamenten aus dem Bereich Homöopathie und Naturheilkunde. Diese Kunden wollte ich fachgerecht beraten. Deswegen habe ich mich zu der Zusatzausbildung entschieden.
Redaktion: Wie läuft diese Zusatzausbildung ab?
Barrmeyer: Die Ausbildung Naturheilverfahren und Homöopathie wird von Apothekerkammern angeboten. Ich habe meine bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe abgeschlossen, dessen Prüfungsausschussvorsitzender ich heute selbst bin. Die Ausbildung findet an vier langen Wochenenden statt und ist jeweils auf drei Tage angesetzt. Teil der Ausbildung ist beispielsweise das Erlernen der Grundkenntnisse aus den Bereichen der Homöopathie, Phytotherapie, Biochemie, Spagyrik, Anthroposophie bis hin zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Außerdem muss im Rahmen der Ausbildung eine Projektarbeit angefertigt und eine mündliche Abschlussprüfung abgelegt werden.
Redaktion: Welchen Status haben Naturheilprodukte und Homöopathie mittlerweile in Ihren Apotheken?
Barrmeyer: Das hat sich im Vergleich zu früher doch stark geändert. Mittlerweile verkaufe ich seit 15 Jahren Arzneimittel aus dem Bereich Naturheilkunde. Heute ist etwa jedes vierte Produkt ein natürliches Arzneimittel. Und die Nachfrage steigt stetig weiter, auch wenn es wellenförmig geht, wie mit den Schüßler Salzen. Das pendelt sich dann irgendwann nach dem Hype bei einem Mittelwert ein. Aufgrund der hohen Nachfrage habe ich zusätzlich noch eine Ausbildung zum Heilpraktiker gemacht. Meine Kunden schätzen die fundierte Naturheilkundeberatung und kommen oft nur aus diesem Grund zu mir in die Apotheke. Und natürlich, weil sie geholfen hat. Das ist das wichtigste!
Redaktion: Bei all dem Hype gibt es aber auch viele Kritiker, die beispielsweise der Homöopathie die Wirksamkeit absprechen. Was halten Sie davon?
Barrmeyer: Für mich ist das eine Arroganz der Naturwissenschaft. Die Potenz D23 enthält zum Beispiel statistisch gesehen kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr, die Information ist aber noch vorhanden. Nur weil die Wissenschaft es nicht nachweisen kann, bedeutet das nicht, dass nichts mehr drin ist. Es gibt ja Studien zur Homöopathie. Die Carstens-Stiftung macht da beispielsweise sehr viel auf diesem Gebiet. Es stimmt einfach nicht, dass es da keine Wirkung gibt. Deswegen finde ich es falsch und arrogant, so etwas zu behaupten. Außerdem heißt es immer noch: Wer heilt, hat Recht!
Redaktion: Ein weiteres beliebtes Thema bei Kritikern sind die sogenannten invasiven Verfahren. Diese sollen für Heilpraktiker komplett verboten werden. Was halten sie davon?
Barrmeyer: Das ist kompletter Quatsch. Invasive Verfahren, wie Spritzen geben oder Blutabnehmen, lernt man als Heilpraktiker bereits in der Ausbildung. Man muss sich die Heilpraktiker-Ausbildung wie ein kleines Medizinstudium vorstellen. Man bekommt dort ein fundiertes Wissen. Und ehrlich gesagt, ist beispielsweise das Blutabnehmen nicht wirklich schwer. Das per se zu verbieten ist einfach falsch.
Redaktion: Und was ist mit dem Vorwurf, dass Heilpraktiker ihre Grenzen nicht kennen und ihre Kompetenzen überschätzen?
Barrmeyer: Natürlich gibt es auch unter uns Heilpraktikern schwarze Schafe. Aber die gibt es überall, auch bei Ärzten. Ich frage mich sowieso manchmal, ob die Ärzte überhaupt noch ein offenes Ohr für Ihre Patienten haben. Denn natürlich machen auch sie Fehler. Da habe ich schon einiges bei mir in der Apotheke gesehen. Da kamen Patienten mit dicken Armen zu mir rein. Da hat der Arzt Mist gebaut, nicht der Heilpraktiker.
Redaktion: Wäre es nicht sinnvoll Schul- und Komplementärmedizin zusammen einzusetzen?
Barrmeyer: Es wäre tatsächlich am besten, wenn beide gemeinsam eingesetzt werden. Ergänzend zueinander. Ich finde es sehr bedauerlich und schade, dass es sowas kaum gibt.
Vor allem die Ärzte sehen die Heilpraktiker als Konkurrenz an. Dabei wäre eine Zusammenarbeit viel besser. Doch die Ärzte haben natürlich oft die Pharmaindustrie im Nacken. Das hindert und hemmt ungemein. Wie es besser geht zeigt das Land Bhutan. Da arbeiten Schulmedizin und traditionelle Medizin sprich Naturheilkunde Hand in Hand. Das ist doch genau das was wir brauchen!
Redaktion: Wo liegen ihre persönlichen Grenzen im Apothekeralltag?
Barrmeyer: Dank meiner Ausbildungen kenne ich mich sehr gut im Bereich Naturheilkunde und Homöopathie aus. Ich berate meine Kunden immer so fachmännisch es nur geht. Manchmal ist es allerdings schwer die Grenzen zwischen Diagnose und Beratung zu ziehen, wobei wir in der Apotheke eigentlich keine Diagnosen stellen dürfen. Hinzu kommt, dass die Erhebung einer ausführlichen, umfassenden und zeitaufwändigen Anamnese am Handverkaufstisch kaum möglich ist. Aber im Notfall rate ich selbstverständlich immer dazu einen Arzt oder Heilpraktiker aufzusuchen, denn natürlich will auch ich keinem Patienten schaden.
Redaktion: Danke für das Gespräch.