Redaktion: Im Spiegel steht, letztlich sei Alternativmedizin nichts als Betrug und Verrat an Patienten und an der Aufklärung. Damit will man sagen: Alternativmedizin hat keine Berechtigung und widerspricht dem modernen Denken. Was sagen Sie dazu?
Kämper: Nachdem wir mit unserer Arbeit zusammen mit etwa 47.000 Kollegen kaum Schaden zu verantworten, jedoch steigende Patientenzahlen nachweisen können, muss ich vermuten, dass diese Aussage von Konkurrenzgedanken gesät wurde, mehr nicht. Wobei wir natürlich auch selbstkritisch sind, denn schwarze Schafe gibt es überall.
Sümper: Der Begriff Alternativmedizin, den Sie die ganze Zeit verwenden, gefällt mir so nicht. Ich würde mich freuen, wenn wir zukünftig nicht ausschließlich diesen etwas unglücklichen Begriff verwenden würden. Unsere Behandlungsmethoden werden ja nicht nur alternativ angewendet, das ist gar nicht immer möglich (beispielsweise bei Erkrankungen, die Operationen oder andere, von Heilpraktikern nicht angewendete Methoden, erfordern), sondern begleitend oder ergänzend. Komplementärmedizin trifft es sicher besser. Außerdem geht es hier doch gar nicht um die Frage des modernen Denkens. In vielen Köpfen scheint noch eine absonderliche Vorstellung über die Arbeitsweise unseres Berufsstandes zu herrschen. Heilpraktiker sitzen nicht im selbst genähten Loden in abgedunkelten Räumen, mit der Glaskugel in der Hand und einem Raben auf der Schulter. Dieses eher mittelalterliche Denken mancher Kritiker übersieht, dass alle Beteiligten im Gesundheitssystem sich in fast allen Bereichen den gleichen Regeln und Gesetzen unterwerfen müssen. Hygienerichtlinie, Medizinproduktegesetz, Infektionsschutzgesetz oder Datenschutzgrundverordnung sind für alle gleichermaßen verbindlich. Im Übrigen ist es kaum vorstellbar, dass jährlich über 46 Millionen Patientenkontakte in den Heilpraktikerpraxen zustande kämen, wenn wir so finster arbeiten würden, wie es hier mal wieder behauptet wird.
Redaktion: Immer wieder werden Einzelfälle beschrieben, in denen Alternativmediziner jahrelang Patienten falsch behandelt haben und die Schulmedizin im Anschluss daran geholfen hat. Kennen Sie Fälle, bei denen die Schulmedizin nachweislich nicht oder nicht mehr geholfen hat, die Alternativmedizin aber sehr wohl?
Kämper: Natürlich! Das war früher der häufigste Ansatz „es mal beim Heilpraktiker zu versuchen“. Da wir nicht nur streng Indikationsbezogen, sondern Menschen in ihrer Gesamtsituation behandeln, gelingen sehr häufig Verbesserungen – teils spektakulär – die vorher unter Ausnutzung der sogenannten Schulmedizin, die ich sehr schätze und stets verteidige – etwas kritischer bin ich mit der sogenannten „Kassenmedizin“ – nicht möglich waren.
Redaktion: Dann mal anders gefragt: nicht jede schulmedizinische Behandlung, die offiziell anerkannt ist, weil sie scheinbar eine Wirkung hat, hilft ja auch dem einzelnen Patienten und lindert seine Leiden oder heilt. Ist die Erfolgs- und Fehlerquote in der Alternativmedizin schlechter als in der Schulmedizin?
Kämper: Es wäre eine müßige Diskussion, worauf ich mich nicht einlassen möchte und wie Herr Sümper bereits erwähnt hat, gefällt auch mir der Begriff „Alternativmedizin“ gar nicht. Wir arbeiten komplementär und sehen uns nicht als Alternative. Das wäre auch fachlich unkorrekt. Wir messen ja schließlich mit einem gleich geeichten Blutdruckmessgerät wie ein Arzt den Blutdruck oder hören unsere Patienten ebenso mit einem Stethoskop ab. Dazu kann es auch keine Alternative geben.
Redaktion: Im Spiegel wird auch beschrieben, dass Politiker Angst vor den Alternativmedizinern haben und deswegen diese Art der Medizin nicht in Frage stellen. Zugespitzt gefragt: Müssen wir jetzt Angst vor Ihnen haben?
Kämper: Nur wenn Sie eine „Spritzenangst haben“, denn bei mir sitzt die Injektionsnadel und auch die Akupunkturnadel „locker“. Dennoch bräuchten Sie keine Angst mehr zu haben, wenn Sie Flugangst oder Platzangst hätten, denn dann könnte ich dafür sorgen, dass Sie durch diese nicht mehr in Ihrer Lebensführung beeinträchtigt werden. Wir Heilpraktiker kümmern uns um Menschen und weniger um Symptome. Wenn die Symptome allerdings am Ende einer gemeinsamen Zusammenarbeit weniger oder verschwunden sind, sind doch alle zufrieden. Was soll daran schlecht oder angstinduzierend sein?
Redaktion: Ein weiteres Beispiel: wissenschaftlich nicht bewiesene Methoden und Thesen aus der Alternativmedizin würden sich beispielsweise bei Volkshochschulen breit machen. Das sei staatlich finanzierte Irreführung. Was haben eigentlich Volkshochschulen mit Heilpraktikern zu tun, beziehungsweise der Ausbildung von Heilpraktikern?
Kämper: Sehr wenig und ich bin ehrlich gesagt überhaupt nicht begeistert, wenn an Volkshochschulen für die Selbstbehandlung Kurse angeboten werden. Wir Heilpraktiker sehen uns als „Paten der Gesundheit“ und wollen ganzheitlich über eine lange Zeit beratend und wenn nötig helfend einem Menschen zur Seite stehen. Nur ein Verfahren, wie „Bachblüten“ oder die momentan in den Medien zu arg beworbenen „Dr. Schüssler-Salze“ mag man zwar auch auf Laienebene vermitteln und ausgewählte Anwendungsbereiche in einer Art „Hausapotheke“ einpflegen, doch wo ist dann die objektive Wahrnehmung durch einen Therapeuten?
Sümper: Grundsätzlich haben beide nur sehr bedingt mit einander zu tun. Mitunter halten auch Heilpraktiker und Ärzte Vorträge zu gesundheitlichen Themen wie „Gesunde Ernährung, Gesund durch Bewegung, gesunde Lebensführung“, was nicht zu beanstanden ist und grundsätzlich durchaus positiv sein kann. Wir sehen es allerdings sehr kritisch, wenn – über diese allgemeine Gesundheitsführsorge hinaus – weitergehende Angebote zur Therapieverfahren angeboten werden. Dazu sind medizinische Vorkenntnisse notwendig, wie sollte sonst seriös diagnostiziert und behandelt werden?
Redaktion: Es gibt beispielsweise Volkshochschule-Kurse in Shinrin, Kinesiologie, Lomi Lomi oder Schröpfen. Wie finden Sie das? Wie ziehen Heilpraktiker in Deutschland die Grenze zu solchen Inhalten?
Sümper: Sie sprechen die Grauzone zwischen Therapie, Gesundheitsvorsorge, Selbsttherapie und Wellness an. Viele Verfahren werden zudem für alle Bereiche angeboten. Davon halten wird nur sehr wenig. Zum einen ist das eine unglückliche Verquickung von Wellness und Therapie, die weder im Sinne des Patienten, noch des Therapeuten sein kann. Unsere Praxen sind keine Wellnesstempel! Die Menschen, die uns aufsuchen, sind keine Kunden oder Klienten, sondern Patienten, die professionelle Hilfe für Ihre Beschwerden erwarten.
Danke für das Gespräch.