11. Dezember 2018

"Wir sehen einen Menschen ganzheitlich und wollen ihn auch so therapieren"

Sümper und Kämper

Redaktion: Gesundheitsminister Jens Spahn fordert ein "Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)". Das beinhaltet unter anderem, dass Heilpraktiker eingeschränkt werden sollen, indem sie verschreibungspflichtige Medikamente nur noch in Ausnahmefällen selbst herstellen dürfen. Wie muss man sich das vorstellen? Sitzen die Heilpraktiker in einem kleinen Labor und stellen für ihre Patienten eigene Arzneimittel her?

Sümper: Nein, ganz gewiss nicht. Heilpraktiker dürfen bereits jetzt keine verschreibungspflichtigen Medikamente herstellen oder verordnen. Die einzige Ausnahme sind zwei Notfallmedikamente, deren Anwendung sehr intensiv geschult wird und auch Gegenstand der Heilpraktiker-Überprüfung ist. Insofern betrifft uns die Forderung aus dem Gesundheitsministerium nicht, sie beschreibt und präzisiert die längst geltenden Regelungen.

Kämper: Ergänzend möchte ich anmerken, dass wir den Referentenentwurf zum GSAV insgesamt gut finden und begrüßen, weil nun auch explizit die Anwendung verschreibungspflichtiger Substanzen und Arzneimittel geregelt wird. Wir begrüßen diese Klarheit, auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir Heilpraktiker bereits zuvor keinen legalen Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hatten. Einzige Ausnahme sind zwei Notfallmedikamente.

Redaktion: Approbierte Ärzte dürfen also weiterhin Arzneimittel herstellen. Halten Sie das für richtig?

Sümper: Approbierte Ärzte dürfen weiterhin verschreibungspflichtige Medikamente herstellen, weil das Gesetz es so zulässt. Ob es hier einen Handlungsbedarf gibt müssen die betreffenden Stellen entscheiden.

Kämper: Ich möchte Ihre Frage ergänzen, denn es geht ja nur um die Herstellung von Arzneimitteln mit verschreibungspflichtigen Stoffen, die für uns sowieso obsolet war. Bezüglich der erlaubnisfreien, jedoch anzeigepflichtigen Herstellung von Arzneimittel, soll sich nach dem uns vorliegendem Referentenentwurf von Herrn Spahn auch in Zukunft nichts ändern. Das nun noch deutlicher der Verbraucherschutz hervorgehoben wird, begrüßen wir ebenfalls.

Redaktion: In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder der Fall "Brüggen-Bracht" herangezogen, als ein Heilpraktiker seinen Patienten eine noch ungeprüfte Substanz (3-Bromopyruvat, kurz 3-BP) verabreicht hat. Drei von ihnen starben. Entspricht dieses Vorgehen der allgemeinen Heilpraktiker-Realität?

Sümper: Es ist schon sehr erstaunlich, dass man sich immer wieder auf das fast drei Jahre zurück liegende Fehlverhalten eines einzelnen Heilpraktikers kapriziert. Selbstverständlich ist dies eine absolute Ausnahme, die in keiner Weise der verantwortungsvollen Tätigkeit der Kolleginnen und Kollegen entspricht, sonst müsste dieser Vorfall, der sich vor fast drei Jahren zugetragen hat, nicht bei jeder Gelegenheit erneut hervorgeholt werden.  Mit der Realität unseres Berufsstandes hat das rein gar nichts zu tun, diese Behauptungen sind ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen, die sich ihrer Verantwortung in der täglichen Praxis durchaus sehr bewusst sind. Nicht nur in diesem Zusammenhang würden wir uns freuen, wenn in Angelegenheiten unseres Berufsstandes nicht nur über uns, sondern auch mit uns gesprochen werden würde, dann ließen sich viele äußerst „schräge“ Vorstellungen und Behauptungen vermeiden.

Kämper: Die Vorgänge in Brüggen-Bracht beruhen wahrscheinlich auf einem seltenen Einzelfall von Selbstüberschätzung. Vermutlich wurde das geltende Arzneimittelgesetz ignoriert oder aus Unwissenheit so gehandelt. Normalerweise hätte der Heilpraktiker vor der riskanten Behandlung mit 3-Bromopyruvat der Bezirksregierung anzeigen müssen, dass er dieses – noch ungeprüfte und nicht zugelassene – Arzneimittel herstellen möchte, um es anzuwenden. Dies wäre selbstverständlich abgelehnt worden. Es ist also keineswegs übliche Heilpraktikerpraxis unerprobte Substanzen zu verabreichen und an Patienten Experimente vorzunehmen. Wir lehnen das „Ausprobieren“ natürlich strikt ab. Dieses unverantwortliche und auch schon damals gesetzwidrige Verhalten wurde zum Anlass, die Präzisierungen im Arzneimittelrecht vorzunehmen.

Modell des Paragraphenzeichen zwischen Pillen und Tabletten weißt auf Verbote hin

Redaktion: Dann sollten Sie doch mit dem neuen Gesetzesentwurf zufrieden sein?

Kämper: Nicht in allen Teilen. Es wird nämlich die Möglichkeit eines Verbotes durch einen Beschluss des Gesundheitsministeriums eingeräumt, insbesondere auf der Grundlage einer „Nutzen-Risiko-Bewertung“! Das hört sich auf den ersten Blick vernünftig und im Sinne des Verbraucherschutzes an. Doch dafür dürfen nicht nur wissenschaftliche Kriterien, sogenannte Doppelblindstudien, herangezogen werden, es müssen auch lange, risikoarme und bewährte ganzheitliche Behandlungen gewürdigt werden. Wir haben ja unsere Erfolge durch das Zusammenwirken verschiedener Heilsysteme und Verfahren. Mit nur einem Mittel oder einer Methode (=Monotherapie) wollen und haben wir nie Patienten behandelt. Wir sehen einen Menschen ganzheitlich und wollen ihn auch so therapieren.

Redaktion: Wie wollen Sie Herrn Spahn von dieser Ansicht überzeugen?

Kämper: Wir würden uns sehr freuen, wenn Herr Spahn uns die Möglichkeit geben würde, unsere Verfahren und Arbeitsweisen vorzustellen. So wäre schnell zu vermitteln, dass wir ohne Gefahr für unsere Patienten arbeiten und dies auch in Zukunft machen wollen. Ein kleines Beispiel mag unsere Arbeitsweise verdeutlichen: Wenn ein Patient mit Rückenschmerzen in unsere Praxis kommt, der nicht operiert werden kann und Schmerzmittel bereits seinen Magen angegriffen haben, dann müssen wir üblicherweise neben der Verordnung von Naturheilpräparaten auch an speziellen Stellen Injektionen durchführen und – wenn erforderlich – chiropraktisch oder osteopathisch die Statik entlasten. Wie soll man so einen komplexen Vorgang, bei dem verschiedene Verfahren zusammenwirken und der durchaus zur Linderung führt, wissenschaftlich belegen? Da bleibt oft nur die Aussage des Patienten, der bestätigt, dass es ihm hilft und dass sich seine Lebensqualität gebessert hat. Und auch nur dann kommt er wieder und führt die Behandlung fort. Wäre dies nicht der Fall, wären unsere Praxen leer. Als Heilpraktiker versuchen wir stets diesen komplementären Weg zu gehen. Das muss auch weiterhin – insbesondere, weil sich große Teile der Bevölkerung diese Art der Behandlungen wünscht und zahlreich in Anspruch nimmt – möglich sein.

Sümper: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ein gesundheitspolitisches Ziel sein kann, ausgerechnet einem Berufsstand die Arbeit zu erschweren, der mit eher sanften Methoden behandelt, nicht schadet, geringe Kosten verursacht und zudem die Kassen entlastet. Sowohl im Bereich der Prävention, aber auch bei chronisch kranken, oft „austherapierten“ Patientinnen und Patienten sorgen Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker für eine Verbesserung der Lebensqualität.

Redaktion: Herr Spahn will außerdem die Frischzellentherapie verbieten. Können Sie dazu etwas sagen?

Kämper: Das Thema ist für uns Heilpraktiker eigentlich schon seit den 80er-Jahren erledigt, weil es seit diesem Zeitpunkt bereits verboten ist, diese Therapie durchzuführen. Es gab nur wenige Kliniken, wo – und das war eben eine Gesetzeslücke – noch vor Ort sogenannte Frischzellen, also Präparate aus direkter Schlachtung, hergestellt und angewendet werden konnten. Diese Sanatorien wurden jedoch in der Regel von Ärzten geführt. Meine persönliche Meinung ist, dass die Möglichkeit einer Behandlung mit gesundem genetischem Material nicht in Frage gestellt werden sollte. Schließlich ist die heutige Stammzellenforschung genau diesen Weg gegangen. Dadurch ist die Frischzellentherapie im ursprünglichen Sinn überflüssig geworden.

Danke für das Gespräch.

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