8. Juli 2019

Aderlass: die Renaissance einer Therapie

Der Aderlass ist eine der ältesten Therapiemethoden. Seine positiven Auswirkungen bei Bluthochdruck sind wissenschaftlich bewiesen. Dies ist einer der Gründe, weswegen die Nachfrage nach Aderlässen seit einigen Jahren steigt. Vor allem Heilpraktiker wenden dieses Therapieverfahren an. Aber auch Schulmediziner nutzen den Aderlass als Behandlungsmöglichkeit für Patienten.

Der Aderlass wurde schon vor etwa 3000 Jahren in der frühen indischen Medizin, dem Ayurveda, und in der Traditionellen Chinesischen Medizin genutzt. Bereits der griechische Arzt Hippokrates (ca. 460 bis 370 v. Chr.) hat diese Therapie nachweislich an Menschen durchgeführt. Zur Erklärung der gesunden Körperfunktionen und der Entstehung von Krankheiten bediente man sich eines Denkmodells, der Vier-Säfte-Lehre. Hiernach wirken vier verschiedene Körpersäfte - Blut, Schleim, Gelbgalle und Schwarzgalle – idealerweise im Einklang miteinander. Nach dieser Medizinphilosophie entstehen Krankheiten aufgrund eines Ungleichgewichts. Der Aderlass zeigte damals schon gute Erfolge bei vielen Erkrankungen. Diese wurden auf eine Änderung der Säftemischung zurückgeführt.

In späteren Jahrhunderten wurde der Aderlass als Allheilmittel übermäßig häufig und vielfach zu drastisch eingesetzt. Oft auch bei Menschen, die bereits stark geschwächt waren, im Sterben lagen oder bereits Blut verloren hatten, z. B. nach Geburten oder Verletzungen. Da das Wissen um diese medizinischen Zusammenhänge fehlte, verstarben deshalb immer wieder Menschen an der Therapiemethode und der Aderlass geriet in Verruf. Erst im 20. Jahrhundert konnte die Medizin das schlechte Image des Aderlasses wieder aufpolieren. Heute weiß man, wie nützlich der Aderlass für die Medizin ist.

Erfolgreich gegen Bluthochdruck

Im Jahr 2016 wurde an der Berliner Charité eine Studie durchgeführt, wie sich der Blutdruck verändert, sobald in regelmäßigen Zeitabschnitten Blut abgenommen wird. Dafür wurde rund 300 Spendern Blut abgenommen (jeweils 300ml). 146 von ihnen litten unter Hypertonie, also Bluthochdruck. Die Studie wurde über ein Jahr lang durchgeführt und von einem Ärzteteam begleitet. Das Ergebnis: Im Schnitt sank der Blutdruck bei den Hypertonikern um bis zu 16 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule). Auffällig dabei war, je höher der Blutdruck bei den Patienten war, desto größer war der Effekt. Bei diesen Patienten sank der Blutdruck am stärksten. Die Durchführung der Studie unterlag strengen Auflagen. Die Ärzte gehen daher davon aus, dass die gemessene Blutdrucksenkung allein auf die Blutspende, also den Aderlass, zurückzuführen ist. Das Ergebnis der Studie bestätigte erste Erkenntnisse aus dem Jahr 2012. Dort wurden bei 64 teilnehmenden Patienten ähnliche Werte und Veränderungen gemessen.

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen (Berliner Charité) betont, dass die Regelmäßigkeit der Blutspende entscheidend für den Erfolg gegen Bluthochdruck sei. Auch der Abstand zwischen den Blutabnahmen sei entscheidend. Je häufiger Blut gespendet wurde, desto größer war der Effekt. Die langsame Reduktion einer Blutdruckminderung der Hypertonie-Patienten beginnt ca. 6 Wochen nach der Aderlass-Therapie.
Michalsen erklärt die Vorteile: „Eine Senkung des Blutdrucks von zehn mmHg systolisch oder fünf mmHg diastolisch vermindert das Risiko eines Schlaganfalls und ischämischer Herzerkrankungen um bis zu 40 Prozent.“

Weitere Anwendungen

Die Schulmedizin setzt den Aderlass regelmäßig als Therapiemethode ein. Besonders bei Polyglobulie, d.h. der Körper hat eine erhöhte Anzahl an roten Blutkörperchen, wird den Patienten regelmäßig Blut abgenommen. Auch bei Eisenüberladung (Siderose), Leber- und Hautveränderungen (Porphyrica cutanea tarda) und einer Vermehrung aller drei Blutzellarten wird durch die Blutentnahme eine Linderung der Beschwerden erzielt.
Durch den Aderlass verändern sich der Hämatokritwert (prozentueller Anteil der Zellen am Blutvolumen) und die Blutviskosität (Bluteindickung) positiv. Dadurch kann das Blut besser fließen. Dies fördert die Durchblutung und die Sauerstoffaufnahme insbesondere in den kleineren Gefäßen sehr.
Der Körper wird außerdem angeregt den Blutverlust auszugleichen. Die hieraus resultierende Bildung neuer Blutzellen kann die Immunabwehr verbessern. Bei Heilpraktikern wird der Aderlass u.a. auch noch bei Blutfülle, zur Entgiftung sowie zur Stoffwechselverbesserung und Aktivierung der Selbstheilungskräfte eingesetzt.

Drei Arten von Aderlass

In der Heilpraktikerpraxis gibt es typologisch drei verschiedene Aderlassarten. Beim Volumen-Aderlass wird abhängig vom Alter des Patienten, seinem Blutdruck und seinem Hämatokritwert („Blutdicke“) etwa einmal monatlich 100 bis 500 ml Blut abgenommen. Der Hildegard-Aderlass (nach der Äbtissin und Heilerin Hildegard von Bingen) wird traditionell am 1.–5. Tag nach Vollmond durchgeführt. Hierbei werden nur ca. 150–180 ml Blut entnommen und der Patient hält einige Tage eine spezielle, sogenannte Hildegard-Diät ein. Bei einem Mikro-Aderlass, der seinen Ursprung in der Traditionellen Chinesischen Medizin hat, wird nur einmal kurz mit einer Lanzette gezielt in jeweils ausgewählte Akupunkturpunkte gestochen – durch die Blutgerinnung stoppt die Blutung anschließend von selbst.

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